1819–1902, Kuratorin
Deutschlandweit gilt Amalie Buchheim als die erste Museumsleiterin. Auch wenn der Großherzog von Mecklenburg ihr über Jahre kein Gehalt, dann auf Bitten und Drängen hin einen stark reduzierten Lohn zahlte – sie ließ sich nie von ihrer Aufgabe abbringen: Über Jahrzehnte verwaltete, pflegte und erweiterte sie kontinuierlich die Schweriner Altertümersammlung. Heute ist Amalie Buchheim weitgehend vergessen.
Auch durch Eu. Hoheit Fürsorge, darf ich die stille Hüterin meiner lieben Alterthümer sein!
Amalie war 16 Jahre alt, als ihr Vater, der herzogliche Kustos Wilhelm Buchheim, sie in seine Arbeitsfelder einführte. Als Kustos pflegte er nicht allein die großherzogliche Altertümersammlung, sondern zusätzlich die Sammlung des Vereins für mecklenburgische Geschichte und Altertumskunde.
Über seine Beweggründe die Tochter, und nicht etwa den Sohn Carl, für seine Nachfolge auszuwählen, lässt sich heute nur spekulieren. Fest steht, dass der Kustos zu dieser Zeit bereits gesundheitliche Probleme hatte. Bei dem Umzug der beiden Sammlungen von Ludwigslust ins Schweriner Schloss 1837 unterstützte Amalie den Archivar Friedrich Lisch (1801–1883) tatkräftig.
Lisch sollte nicht nur Amalies Vorgesetzer bleiben, sondern sich auch für ihre Anerkennung und Rechte einsetzen.
Als der Vater 1841 starb, übernahm Amalie dessen Aufgaben vollständig.
Über Nacht stand die 22-Jährige dem Haushalt mit einer kränklichen Mutter und dem um zwei Jahre jüngeren Bruder Carl vor und ging gleichzeitig einem Vollzeit-Beruf nach. Das Wort »Beruf« trifft es nicht, denn es fehlte das ihr zustehende Gehalt. Durch den Wegfall des väterlichen Lohns mussten die drei Hinterbliebenen mit einem geringen ›Gnadengeld‹ auskommen. Carl erkrankte zudem schwer und sein »sowohl (…) leiblicher als aufgeregter geistiger Zustand«, so schrieb die Witwe Buchheim im November 1841 an den Großherzog, erfordere monatelange ärztliche Behandlung. Das verschärfte die finanzielle Not der Familie zusätzlich.
Erst auf Drängen überließ der Großherzog Friedrich Franz II. (1823–1883) der Witwe die Arbeitsstelle ihres Mannes und die Dienstwohnung. De facto war Catharina Elisabeth Buchheim gesundheitlich nicht dazu in der Lage, die Stelle des Kustos auszufüllen. Aber über diesen Umweg konnte Amalie weiter beschäftigt werden. Jährlich verfassten Mutter und Tochter Gnadengesuche an den mecklenburgischen Herrscher, um auf die prekäre Situation der Familie aufmerksam zu machen.
Elf Jahre hatten die beiden Frauen um Unterstützung gebettelt, als sich endlich auch Friedrich Lisch einsetzte. Er appellierte nicht an das Mitgefühl des Regenten, sondern informierte ihn darüber, dass Amalie die erforderlichen Arbeiten weitgehend alleine verrichte. Eine Erhöhung des Geldes, so Lisch, läge auch im Interesse des Großherzogs. Denn das Antiquarium, das Amalie pflege, habe an Bedeutung gewonnen. Um es zu repräsentieren, würden »mehr Mittel« erforderlich sein, »z.B. zu einer stets ordentlichen Kleidung«, so schrieb Lisch 1853. Dass das Museum seiner Reputation dienlich war, leuchtete dem Herzog offenbar ein, denn er erhöhte das Gnadengeld der Familie und veranlasste zusätzlich, dass Amalie einen eigenen Lohn, wenn auch nur einen geringen, für ihre Arbeit erhielt.
Amalie führe die Aufsicht über die Altertümersammlung mit »großer Geschicklichkeit, Arbeitssamkeit und Treue«, so schrieb Lisch 1854 bei einem erneuten Gesuch um mehr Geld für sie. Zwar reagierte Friedrich Franz wieder mit einer Aufstockung des Lohns auf 80 Taler jährlich, lehnte aber eine feste Anstellung von Amalie vor dem Tod ihrer Mutter ab.
Catharina Elisabeth Buchheim starb 1860. Der Regent hielt Wort und Amalie bekam als ›Kustodin und Kastellanin‹ der herzoglichen Altertümersammlung eine Festanstellung, wobei das Gehalt allerdings deutlich geringer ausfiel als erhofft.
Friedrich Lisch hatte in seinem Brief 1853 nicht gelogen, als er schrieb, die beiden Schweriner Sammlungen seien beliebt. Und Amalie sorgte durch die Anschaffung neuer Exponate dafür, Lücken zu schließen und den Fundus zu vergrößern. Auch wenn sie als Frau im 19. Jahrhundert keine Möglichkeit hatte selbst zu publizieren, so unterstützte sie doch die Veröffentlichungen anderer Fachleute – Männer – intensiv.
Die zu der Zeit sehr berühmte Sammlung zog zeitgenössische Größen der Archäologie an, wie den englischen Forscher John Mitchell Kemble. Der Schweizer Geologe und Prähistoriker Adolph von Morlot (1820–1867) arbeitete zum Beispiel an einem Buch über die mecklenburgische Altertumskunde. Dafür hielt er sich vermutlich immer wieder in Schwerin auf. 1866 schrieb er an Amalie, dass »mein Buch (ich sollte sagen unser Buch, weil Sie so viel dazu beigetragen haben) in vollem Zuge ist & offenbar sehr gut ausfällt.« Der als der Entdecker von Troja in die Geschichte eingegangene Heinrich Schliemann (1822–1890) ließ sich um 1880 ebenfalls fachlich von der Museumsleiterin unterstützen.
Durch ihre kontinuierliche Arbeit über sechs Jahrzehnte leistete Amalie einen unermesslichen Beitrag zur Gleichberechtigung von Frauen in der Wissenschaft. Ihre Bekanntheit lockte die um neun Jahre jüngere Ausnahme-Erscheinung Johanna Mestorf (1828–1909) als Praktikantin in das Schweriner Museum. Die zunächst als Erzieherin ausgebildete Johanna hatte als solche in Schweden arbeitend »nebenbei« nordische Sprachen erlernt und anschließend wichtige Werke der skandinavischen Archäologie ins Deutsche übersetzt. Dadurch schaffte sie es, sich einen Namen zu machen und anschließend selbst fachwissenschaftlich und belletristisch zu publizieren. Noch während Amalie sie in die Museumsarbeit einführte, übernahm Johanna Mestorf, zunächst ebenfalls ehrenamtlich, 1868 die Leitung des Kieler Museums für vaterländische Altertümer. 1873 bekam sie eine Anstellung und gilt damit als die zweite Museumsleiterin. 1899, 71-jährig, wurde Johanna Mestorf der Titel einer Honorarprofessorin der Universität Kiel verliehen. Damit ist sie die erste Professorin Deutschlands.
Amalie Buchheim bekam 1882 die Silbermedaille für Künste und Wissenschaften am Bande verliehen. Sie blieb hochbetagt bis an ihr Lebensende der Arbeit im Schweriner Museum treu. Sie starb mit knapp 83 Jahren.
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