(1893 – 1961), Schriftstellerin Die literarische Chronistin vom Fischland
In den 1950er-Jahren war sie eine der bekanntesten Autorinnen für Heimatliteratur im deutschsprachigen Raum. Davor hatte sie eine Menge anderer Erfahrungen gemacht: Sie lebte und arbeitete in Belgien und Norwegen, wirkte in Köln in Verlagen als Lektorin und Übersetzerin sowie als Zeitungsjournalistin in Berlin. Beim Ausbruch des Zweiten Weltkriegs zog sie sich in das kleine Dorf Althagen auf der Ostseeinsel Fischland zurück. Von den Dorfbewohner:innen wurde die herbe, trinkfeste Blumenliebhaberin wie selbstverständlich in die Gemeinschaft aufgenommen.
Katharina Ottilie Ella Miethe kam am 11. März 1893 in Rathenow (Brandenburg) auf die Welt. Sie selbst sagte, ihr Geburtsort sei »als zufällig anzusehen«. Tatsächlich zog die Familie bald nach Braunschweig und 1899 nach Berlin. Ihre Familie bestand aus dem Vater Adolf, der Mutter Marie und ihrer um zwei Jahre älteren Schwester Inge. Als Chemiker und Physiker war Adolf Miethe spezialisiert auf die sich damals entwickelnde Farbfotografie und bekam in Berlin einen Lehrstuhl für Photochemie und Spektralanalyse an der Technischen Hochschule in Charlottenburg.
Erstmals reiste die Familie im Sommer 1901 für mehrere Wochen nach Althagen, heute ein Ortsteil von Ahrenshoop, auf Fischland an der Ostsee. Wie sich Käthe Miethe später in ihrem Buch ›Das Fischland‹ erinnert: »Alles war so ganz anders als die Welt, die wir bisher kennengelernt hatten. Die Zeit in Ahrenshoop kam uns wie ein Märchen und wie ein einziges Fest vor, erfüllt vom Glanz des Ungewohnten.« Im selben Jahr noch kaufte ihr Vater ein bescheidenes ländliches Haus, eine Büdnerei, im heutigen Bernhard-Seitz-Weg in Althagen. Während ihrer Kindheit wurde sie für Käthe zur zweiten Heimat.
...denn es geht ja so merkwürdig zu auf der Welt, dass das wahre Glück keine Sprache hat.
Nach dem Besuch der höheren Mädchenschule machte Käthe eine Ausbildung zur Bibliothekarin und arbeitete im Anschluss zwei Jahre in einer Bücherei in Berlin. Im Ersten Weltkrieg verbrachte sie als Helferin des Roten Kreuzes zehn Monate in Belgien, danach war sie als »Lektorin« des Militärattachés in der Kaiserlich Deutschen Gesandtschaft in Den Haag tätig.
Die unsicheren Zeiten veranlassten ihren Vater, ihr eine eigene kleine Büdnerei in Althagen zu kaufen. 1916 hatte er »den Glauben an Sieg und an eine sichere Zukunft aufgegeben«, schrieb sie in ›Unterm eigenen Dach‹. Doch vorerst nutzte sie das Häuschen nur als Sommerresidenz. Sie sei zu jung gewesen. »Junge Leute taugen nicht für ein altes Haus«, schrieb sie. Nach ihren ersten Auslandserfahrungen begann sie bei dem konservativen Blatt ›Deutsche Allgemeine Zeitung‹ als Journalistin zu arbeiten. In den Sommern der 1920er-Jahre nutzte sie die Büdnerei, um dort Artikel und Reportagen zu verfassen.
Ihr Vater war bekannt geworden mit einer Farbfototechnik, den Dreifarbenbildern. Inspiriert von Motiven seiner Ägyptenreise schrieb sie dazu Abenteuergeschichten für Jugendliche. ›Die Smaragde des Pharao‹, ein Gemeinschaftswerk von Vater und Tochter und damit ihr erstes Buch, erschien 1923.
Die Lust, woanders zu leben, etwas anderes zu machen, hatte sie nicht verlassen: In den 1920ern lebte sie immer wieder Monate bis Jahre in Norwegen. Beim ersten Mal, 1922, zog sie als Vertreterin für Buchhaltungsmaschinen durch die norwegische Landschaft. In Deutschland begann sie anschließend Bücher aus dem Norwegischen zu übersetzen.
Ihr Vater, dem sie sich innig verbunden fühlte, starb 1927.
Mit dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs 1939 gab Käthe ihre Berliner »Winterwohnung« auf und zog vollständig aufs Fischland, zunächst mit ihrer Mutter, die 1946 starb. »…(D)er Krieg rührte das Fischland wenig an.« Es war der Rückzugsort, in dem sie die Zeit des Nationalsozialismus relativ schadlos überstand.
Das Rohrdachhaus entsprach ganz und gar nicht dem behaglichen Standard einer Stadtwohnung. Es gab ein »Plumpsklo« im Garten, ebenso wie einen Brunnen. »Seien Sie demütig!«, soll Käthe zu Gästen vor dem Eintreten in die Büdnerei gesagt haben, denn die Türen hatten eine Höhe von 1,60 Meter. Im Sommer schrieb sie auf der Veranda, im Winter in einem Zimmer mit Ofen unter dem Dach.
Nach 1945 engagierte sie sich politisch, wurde Gemeinderatsmitglied, später stellvertretende Bürgermeisterin. Sie ließ 1950 davon ab, weil Althagen eingemeindet wurde und seitdem Teil von Ahrenshoop ist.
Fischland war ihre Wahlheimat und die Einwohner:innen akzeptierten sie. Dabei war sie alles andere als gefällig. Ganz im Gegenteil: Sie war unkonventionell, herb, trinkfest, Raucherin. Sie hatte eine tiefe Stimme, trug fast immer Männersachen und liebte Blumen. Mit ihrem köstlichen Humor nahm sie sich selbst und andere auf die Schippe. Die Kantorin der Wustrower Kirche, Inge Lettow, war ihre Lebensgefährtin.
Und Käthe ließ sich vollständig auf das Fischland und seine Leute ein. Sie betrieb Heimatforschung im besten Sinne und ließ sich von den Senior:innen die Geschichten des Ortes erzählen. Immer war es ein Wettlauf mit der Zeit. »Und ich sehe mich noch heute in geliehenen Knobelbechern, Filzschuhe unter dem Arm, um mich in die Häuser hineinzuwagen, Reste von altem Manuskriptpapier zum Notieren in der Tasche, tagaus, tagein, bei jedem Wetter und bei jedem Wind, diesen Wettlauf auszutragen«, schrieb sie selbst.
1949 gelang ihr mit ›Das Fischland‹ der literarische Durchbruch. Auch weil nach der Gründung der DDR viele Leute in den Westen gingen und Fischländer:innen es als »Heimatbuch« mitnahmen. Sie blieb tief verbunden mit dem Rostocker Hinstorff-Verlag, der nach ihrem Erfolg alle weiteren Bücher herausbrachte.
Käthe schrieb stimmungsvoll, aber unprätentiös, recherchierte sorgfältig und schuf mit ihren Romanen ein Stück Zeitgeschichte. Weitere erfolgreiche Werke wie ›Die Flut‹, ›Auf großer Fahrt‹ und ›Bark Magdalena‹ folgten im nächsten Jahrzehnt. In Fischerkneipen und dem Ahrenshooper Malchens Café traf sie sich oft mit Zeitzeugen und Zeitzeuginnen. Sie trat dort nicht unter ihrem echten Namen auf, sondern verwendete als Pseudonym DDR-Produktnamen. Nach dem Putzmittel nannte sie sich »Frau Sidol« oder nach dem Waschmittel »Frau Wok«. Während sie zuhörte, tranken sie und ihr Gegenüber Cognac oder Weinbrand aus weißen Mokkatassen.
Käthe Miethe starb aus ungeklärten Gründen plötzlich am 12. März 1961 in ihrem Haus in Althagen.
Seit einigen Jahren helfen engagierte Fischländer:innen mit regelmäßigen Veranstaltungen zu Käthe Miethe die Autorin nicht in Vergessenheit geraten zu lassen.
Foto- und Textquellen: Wir haben uns bemüht, alle Rechte bezüglich der verwendeten Texte und Fotos zu klären. In einigen Fällen ist es uns trotz intensiver Recherche nicht gelungen, die Rechteinhaber:innen zu finden. Bei etwaigen Rechtsansprüchen wenden Sie sich bitte an uns.
Puschkinstraße 19-21
19055 Schwerin
Mecklenburg-Vorpommern
Deutschland
Wenke Brüdgam
Landesbeauftragte für Frauen und Gleichstellung der Landesregierung
Telefon: 0385 / 588 – 13060
fokus.gleichstellung@jm.mv-regierung.de