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Gesichtsrekonstruktion von Per Holck

Eufemia von Rügen

um 1276–1312, Norwegische Königin

Kultureller Glanz für Europas Norden

Wahrlich verlassen musste sich Eufemia, Tochter des Rügenfürsten Witzlaw II., gefühlt haben, als sie zu Beginn des Jahres 1299 durch die eisige Nordsee ihrer Zukunft entgegenfuhr. Wie konnte sie ahnen, dass ihr Name rund 700 Jahre später vielen skandinavischen Schüler:innen ein Begriff sein würde? Dass sie als eine Begründerin der schwedischen Literatur in die Geschichte eingehen sollte? Und im Oslo von heute sogar eine Magistrale den Namen »Dronning Eufemias Gate« (Straße der Königin Eufemia) trägt?

Die Fürstentochter war gewiss nicht gefragt worden, ob sie mit dem norwegischen Herzog und Königsbruder Håkon Magnusson ihr Leben verbringen wollte. Sie war, ebenso wie andere adlige Frauen, Spielball politischer Interessen. Mit ihrer Vermählung gewann der Rügenfürst erhebliches Prestige im damaligen Machtgefüge Nordeuropas. Gefühle hatten da keinen Platz.

SOL ICH DEM VÜRDERMALE LEBEN, DER UF MICH DEHEIN AHTE ENHAT? DESWAR DES HET ICH GERNE RAT.

Hartmann von Aue: Iwein
(Soll ich fernerhin mit dem leben, der sich nicht um mich kümmert? Wahrhaftig, ich würde das mit Freuden entbehren.)

Biografie

um 1276
Geboren als siebtes Kind des Rügenfürsten Witzlaw II. und Agnes von Braunschweig-Lüneburg
1299
Vermählung mit Håkon Magnusson in Oslo und Königskrönung des Paares
1301
Geburt der Tochter Ingebjørg Håkonsdatter
1302
Änderung des Thronfolgegesetzes zugunsten der Tochter und ihrer männlichen Nachkommen
Feierliche Verlobung von Ingebjørg mit dem schwedischen Herzog Erik Magnusson von Södermanland an Weihnachten
1303
Eufemia initiiert die Übersetzung des Ritterromans »Iwein« ins Schwedische
1308
Übersetzung des Romans »Herzog Friedrich von der Normandie«
1312
Übersetzung des Epos »Flore und Blanscheflur«
1312
Eufemia stirbt am 1. Mai, wenige Monate vor der Hochzeit ihrer Tochter im Alter von etwa 36 Jahren
Hartmann von Aue - Codex Manesse - Universitätsbibliothek Heidelberg

Hochzeit in Oslo

Eufemias Vermählung mit Herzog Håkon war wohl kurzfristig vereinbart worden. Denn wenige Monate nach dem Abkommen, Anfang 1299, trafen Gesandte aus Oslo in Stralsund ein, um die Braut nach Norwegen zu geleiten. Sie brachte eine stattliche Mitgift von 3.000 Kölnischen Mark, ihre jüngere Schwester Sophie und vielleicht auch einige Handschriften höfischer Literatur mit. Zurück ließ sie vier Geschwister und ihre Mutter Agnes, die als Tochter des Herzogs von Braunschweig-Lüneburg ihre Kinder schon früh mit höfischer Kultur und Literatur vertraut gemacht hatte.  

Als Eufemia Norwegen erreichte, bezog sie sogleich Räume in Akershus, der gerade fertiggestellten Festung ihres Bräutigams. Anders als sein vom norwegischen Bergen aus regierender Bruder, König Erik II. Magnusson, residierte Håkon seit 1284 in Oslo.

Eufemia wird Königin

Irgendwann im Mai 1299, ein paar Wochen nach ihrer Ankunft, wurden Eufemia und Håkon in Oslos Marienkirche getraut. Im Juli desselben Jahres starb König Erik II. kinderlos. Am 1. November wurden Håkon und Eufemia gekrönt. 1301 wurde Tochter Ingebjørg geboren. Vielleicht, weil Eufemia für damalige Verhältnisse nicht mehr ganz jung oder die Ehe nicht besonders glücklich war, vielleicht auch aus gesundheitlichen Gründen konnte das Paar wohl nicht mehr mit weiteren Nachkommen rechnen. Also ließ Håkon wenig später das Thronfolgegesetz zugunsten seiner Tochter und ihrer männlichen Nachkommen ändern. Und er fädelte flugs die Verlobung des gerade ein Jahr alten Mädchens mit dem 19 Jahre älteren schwedischen Königsbruder Erik Magnusson ein.

Schloss Akershus - www.visitOSLO.no Foto: Didrick Stenersen
Hartmann von Aue - Codex Manesse - Universitätsbibliothek Heidelberg

Luxus und Minnelieder am Hofe

König Håkon V. soll ein überaus gebildeter, frommer und für seine Zeit moderner Regent gewesen sein. Unter anderem bereitete er Norwegen mit seiner Verwaltungsreform auf kommende Zeiten vor und bestimmte Oslo zur Hauptstadt des Reiches. Wir können nur spekulieren, wie es Eufemia an seiner Seite ergangen ist. Auch wenn sie unter der »ehelichen Vorherrschaft« ihres Mannes stand, hatte sie doch große Freiheiten: Als Frau von Stand konnte sie über ihre Mitgift und die Morgengabe – ein Königsgut bei Oslo und 1.200 Kölnische Mark Apanage – frei verfügen.
Diese Möglichkeiten nutzte Eufemia: Sie lud Gäste aus ganz Europa ein, ließ sich Luxusgüter kommen und von Troubadouren und Musikanten unterhalten.

Heldenepen für den Schwiegersohn

Als Weihnachten 1302 in Oslo die Verlobung ihrer Tochter gefeiert wurde, sah sie ihren künftigen Schwiegersohn Erik Magnusson wohl zum ersten Mal. Wir wissen nicht, ob sie mehr als schwiegermütterliche Zuneigung für den nur wenige Jahre Jüngeren empfand. Wahrscheinlich aber schien der junge Mann in den Augen der schwärmerischen Königin genau dem ritterlichen Ideal zu entsprechen, das sie aus den Heldenliedern ihrer Zeit kannte.

Wie sonst ließe sich erklären, dass sie ausgerechnet für ihn drei bekannte Werke der höfischen Literatur, zwei Ritterromane und eine orientalische Liebeslegende, ins Schwedische übersetzen ließ? Mit der Übertragung der beiden Romane »Iwein« und »Herzog Friedrich von der Normandie« sowie der orientalischen Romanze von »Flore und Blanscheflur« beginnt Schwedens Literaturgeschichte. Noch heute sind die »Eufemiavisorna«, die Lieder der Eufemia, in Skandinavien ein Begriff.

Eine »Frau von gutem Ruf«?

Die Hochzeit ihrer Tochter Ingebjørg mit Erik Magnusson erlebte Königin Eufemia nicht mehr: Sie war wenige Monate zuvor, am 1. Mai 1312, im Alter von etwa 36 Jahren gestorben und in der Osloer Marienkirche beigesetzt worden. Håkon starb sieben Jahre später. Wie Ausgrabungen ergaben, hatte Eufemias Vater, Witzlaw II., zu Füßen des Königspaares seine letzte Ruhestätte. Er war 1302 bei einem Besuch anlässlich der Verlobung seiner Enkelin Ingebjørg gestorben.

Um das Leben der Rügenprinzessin und späteren norwegischen Königin rankten sich Gerüchte, die Zweifel schürten, ob Eufemia wirklich eine »Frau von gutem Ruf« gewesen war, wie ihr Name übersetzt heißt. Es wurde gemunkelt, sie habe eine weitere Tochter, Agnes, vor der Ehe mit Håkon geboren. Auch soll sie den Brautwerber ihres künftigen Mannes getäuscht oder gar umgarnt haben, so dass dieser vom erzürnten Håkon hingerichtet worden sei. Nichts davon ist erwiesen. Es bleibt die Erinnerung an eine gebildete und kultivierte Frau, die viel dazu beigetragen hat, dass Oslo und Norwegen Anschluss an die damaligen kulturellen Zentren Europas fanden.

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